Die DOTS-Formeln – Die neuen Wilks

Wilks-Koeffizient:

Die Wilks Punkte sind im Powerlifting inzwischen über 20 Jahre in der Nutzung und haben sich im Vergleich zu allen anderen Ansätzen einer Relativ Wertung am erfolgreichsten durchgesetzt. Dabei wollte Robert Wilks in den 90ern nichts anderes als eine Formel entwickeln, mit der sich die beste Aufteilung neuer Gewichtsklassen für die IPF ermitteln lassen. Die Gewichtsklassen wurden zwar abgelehnt, aber die Formel wurde als neue Formel für die Relativwertung im Powerlifting übernommen.

Der Grund für den Erfolg von den Wilks Punkten auch außerhalb der IPF ist vor allem die Verfügbarkeit einer Formel, welche man für Anwendungen wie Tabellen und Sheets verwenden kann und natürlich die äußerst faire Punkteverteilung über die Gewichtsklassen, welche einen äußerst intuitiven Charakter hat.

Mit dem Aufschwung von Classic/Raw Powerlifting in den letzten zehn Jahren und dem Wachstum des Sports auf der ganzen Welt, wurden allerdings immer mehr die Schwächen dieser Formel deutlich. Hier zeigte sich, dass besonders die sehr schweren und sehr leichten Männer, so wie die sehr leichten Frauen von den Koeffizienten profitieren, während besonders die Frauen bei 80-90kg benachteiligt werden.

Die Gründe dafür sind recht einfach. Robert Wilks hat hier keinesfalls Fehler in seiner Rechnung gemacht, lediglich die Daten waren in vielen Klassen noch nicht umfangreich genug, um das wahre Potential einiger Klassen zu erkennen. Bei den Damen zum Beispiel war der asiatische Raum sehr marginal vertreten, welcher gerade bei den leichten Klassen bisher eine besonders hohe Leistungsdichte nach Wilks hervorgebracht hat. Weiterhin weißt die Koeffizienten Kurve der Frauen einen Wendepunkt bei etwa 53kg auf und die der Männer bei etwa 171kg, welche anatomisch nicht erklärbar und der Art und Weise der Interpolation geschuldet sind.

IPF Points:

Die IPF hat im Jahr 2018 beschlossen die Wilks Formel mit den so bezeichneten IPF Points zu ersetzen. Als offizieller Grund wurde besonders die nicht mehr bestehende Aktualität der Daten aufgeführt. Es gibt aber viele Stimmen die behaupten, die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten mit Robert Wilks waren der Hauptgrund für diese Entscheidung.

Die Formel für die IPF Points wurde dabei von unabhängigen Sportwissenschaftlern neben vier anderen eingereichten Formel, als die „beste“ ausgewählt. Dabei hatten diese Wissenschaftler keinen direkten Bezug zu den eingereichten Formeln und Daten und haben sie rein statistisch untersucht:

„We did not calculate effects of the methods on the best lifter rankings for recent IPF events, as some of the authors did in their proposals. Such an approach may be informative to powerlifting experts, but does not contain any information which enables us to evaluate the quality of the method itself.”

Am Ende konnte Der Ansatz von Joe Markensteiner die besten Ergebnisse bei der statistischen Überprüfung bei den verfügbaren Daten liefern und wurde schließlich von der IPF zu 2019 übernommen. Dabei muss man bedenken, dass der Vergleich der Formeln in einer ähnlichen Art und Weise vorgenommen wurde wie deren Erstellung durch Markensteiner. Daher war es absehbar, dass dieser Ansatz bei der Überprüfung dominieren würde.

Markensteiners Logarithmischer Ansatz:

Evaluierung der IPF Punkte:

Bei Genauerer Betrachtung wurden hier gravierende Fehler gemacht und damit ein System eingeführt, welches weit davon entfernt ist eine faire Relativwertung zu ermöglichen.

Eine der Grundannahmen bei dem gewählten Ansatz war es zum Beispiel, dass alle Klassen das gleiche Verhältnis zwischen Anfängern und Fortgeschrittenen haben und dass sich die Proportionen über die Klassen im Verhältnis nicht ändern. Hier sollte allerdings jeder erfahrene Sportler wissen, dass die meisten Kraftsportathleten im Laufe ihrer Sportlerkarriere an Muskelmasse zulegen und schwerer werden. Sodass bei den leichtern Athleten im Vergleich zu schwereren Athleten ein höherer Anfänger-Anteil existiert.

Eine weitere Annahme war, dass sich das Verhältnis von Körpergewicht und Kraft logarithmisch darstellen lässt. Die Steigung der Logarithmus Kurve wird allerdings durch einen einzigen Faktor bestimmt, sodass hier eine große Menge von Daten aus dem Mittelgewicht die Punkte in den Randbereichen vorbestimmen.

Wenn man sich die Open-Weltrekorde im Kraftdreikampf Raw und Equipped anschaut, fallen einem direkt die Schwächen dieser Formeln auf, selbst wenn man die Leistungen subjektiv bewertet:

ClassTotal Record RAWWilksIPF PointsTotal Record EQWilksIPF Points
Men
-59kg669,5585879763666792
-66kg688541823815640772
-74kg758546842908659798
-83kg830,5556861945633767
-93kg8505378251025,5652784
-105kg895,55468311092,5656774
-120kg978,55648281130650744
SHW11055947661272,5691710
Women
-47kg407,5552838500675755
-52kg430,5538832530667757
-57kg462543856565663767
-63kg499,5548885643692815
-72kg540542901660656795
-84kg571511873671,5600752
SHW671,5527851783617745

Die gleiche Tabelle nun nochmal Prozentual zum Medianwert:

  • Class
  • Men
  • -59kg
  • -66kg
  • -74kg
  • -83kg
  • -93kg
  • -105kg
  • -120kg
  • SHW
  • Women
  • -47kg
  • -52kg
  • -57kg
  • -63kg
  • -72kg
  • -84kg
  • SHW
  • Total Record RAW
  • 669,5
  • 688
  • 758
  • 830,5
  • 850
  • 895,5
  • 978,5
  • 1105
  • 407,5
  • 430,5
  • 462
  • 499,5
  • 540
  • 571
  • 671,5
  • Wilks
  • 106%
  • 98%
  • 99%
  • 101%
  • 97%
  • 99%
  • 102%
  • 108%
  • 102%
  • 99%
  • 100%
  • 101%
  • 100%
  • 94%
  • 97%
  • IPF Points
  • 106%
  • 99%
  • 102%
  • 104%
  • 99%
  • 100%
  • 100%
  • 92%
  • 98%
  • 97%
  • 100%
  • 103%
  • 105%
  • 102%
  • 99%
  • Total Record EQ
  • 763
  • 815
  • 908
  • 945
  • 1025,5
  • 1092,5
  • 1130
  • 1272,5
  • 500
  • 500
  • 565
  • 643
  • 660
  • 671,5
  • 783
  • Wilks
  • 102%
  • 98%
  • 101%
  • 97%
  • 100%
  • 100%
  • 99%
  • 106%
  • 102%
  • 101%
  • 100%
  • 104%
  • 99%
  • 90%
  • 93%
  • IPF Points
  • 102%
  • 100%
  • 103%
  • 99%
  • 101%
  • 100%
  • 96%
  • 92%
  • 100%
  • 100%
  • 101%
  • 108%
  • 105%
  • 99%
  • 98%

In den markierten Zeilen sehen wir die Extremen Unterschiede von Wilks zu IPF Points.

Weiterhin kann man auch erkennen, dass Männer und Frauen bei den IPF Punkten sehr unterschiedlich berechnet werden. Die Durchschnittswerte liegen bei Wilks Raw bei 559 Wilks-Punkten bei den Männern zu 537 Wilks Punkten bei den Frauen, Equipped bei 656 Wilks Punkten bei den Männern und 653 Wilks Punkten bei den Frauen. In Anbetracht, dass der Talentpool der Männer mehr als doppelt so groß ist, wie der der Frauen ist dies ein durchaus Vergleichbarer Wert, ggf mit einem leichten Vorteil für die Frauen. Bei den IPF Points dagegen liegt der Durchschnittswert Raw bei den Männern bei 832 Punkten und bei den Frauen bei 862 Punkten, Equipped ungefähr identisch bei 768-769 Punkten. Also im Vergleich bekommen sowohl Raw Athleten, als auch Frauen allgemein deutlich höhere Punktewerte bei den IPF Points.

In der folgenden Grafik kann man deutlich sehen wie die verschiedenen Gewichtsklassen nach dem Wechsel von Wilks zu IPF Points bewertet werden:

Die DOTS Formel:

Nachdem nun die IPF Punkte so gravierende Mängel aufweist, dass eine faire Bewertung auf nationalen und internationalen Meisterschaften nicht möglich ist. War es notwendig eine neue Formel zu entwickeln, welche in Einfachheit und Intuition der bewährten Wilks Formel ähnelt, jedoch in der Lage ist deren Schwächen auszugleichen und mit aktuellen Daten zu aktualisieren. Die DOTS.

Bei der Herangehensweise zur Ermittlung einer geeigneten Formel mussten zunächst Randbedingungen formuliert werden, welche grobe Fehler in der Erstellung ausschließt. Zunächst einmal braucht die Formel einen monoton steigenden stetigen Verlauf, darf also keine Wendepunkte im Definitionsbereich enthalten. Weiterhin muss es eine empirische Formel sein, bei der sich eine große Datenmenge im Mittelgewicht nicht auf die Randbereiche übertragen kann, daher wurde ein polynom-Ansatz gewählt. Dieser sollte möglichst niedrigen Grades sein, um Overfitting zu vermeiden, jedoch ausreichend komplex, um hinreichend genau zu sein. Hier hat sich das Polynom 4. Grade als optimale Lösung herauskristalisiert.

Bei der Wahl der zu verwendenden Daten war es entscheidend, möglichst vergleichbare Datenmengen zu erhalten. Weiterhin war es notwendig Daten der Spitzen-Athleten in einem Vergleichbaren Umfeld zu wählen, um die Oben genannte Tatsache zu berücksichtigen, dass die meisten Athleten im Laufe ihrer Karriere an Muskelmasse zunehmen. Da es aber zum Teil deutliche Leistungsunterschiede in den Verschiedenen IPF Regionen gibt und viele Fremdsprachige Daten in lateinischer Schrift nicht verfügbar sind, wurde sich dazu entschieden ausschließlich Daten von IPF- Weltmeisterschaften und World Games zu verwenden.

Wählt man hier allerdings nur die oberen Leistungsbänder als Daten, vergleicht man sehr unterschiedliche Leistungsdichten miteinander. Das führt dann dazu, dass (wie bei Wilks) die weniger dicht besetzten Klassen, also gerade die besonders leichten und besonders schweren Athleten, übervorteilt werden.

Um dieses Problem zu lösen wurde sich bei den DOTS Punkten entschieden eben diese Leistungsbänder an Hand ihrer Leistungsniveaus zu Gewichten. Vergleich man zum Beispiel die Mittelwerte der 100m Läufer der letzten fünf Jahre mit dem Weltrekord, kommt man auf eine Leistungsdichte von 96,9%. In dem noch jungen und vergleichsweise kleinem Sport des Powerliftings kommt man in der meist gut besetzten 83kg Klasse gerade mal auf 92,8% Leistungsdichte, im Superschwergewicht dagegen auf etwa 87,5%. Vergleicht man die Frauenklassen damit, erreichen diese etwa 97% der Leistungsdichte der entsprechenden Klassen bei den Männern.

Durch diesen Ansatz konnte eine Methode der Vergleichbarkeit, sowohl unterschiedlicher Gewichtsklassen, als auch ein Ansatz von einer Vergleichbarkeit der Geschlechter geschaffen werden, welche gerade für gemischte Mannschaftwettkämpfe eine gangbare Lösung darstellt. Dies hat auch den Namen für die DOTS-Formel geprägt, da diese im Ursprung für die KDK Bundesliga in Deutschland entwickelt wurde (Dynamisch Objektives Teamwertungs System).

In die Endgültige Numerische Ermittlung der Formel sind nun gleichwertig Daten von Raw- und Equipped Athleten, KDK und Einzeldisziplinen, als auch deren Leistungsdichte und die jeweiligen Weltrekorde geflossen. Mit diesen Daten wurde dann mit den Unterschiedlichsten virtuellen Randwerten eine Vielzahl an Interpolationen durchgeführt, bis zwei Formeln entstanden sind, welche alle Randbedingungen erfüllen konnten und den angesprochenen Anforderungen gerecht werden. Die DOTS Formeln:

Formel für Männer:

Definitionsbereich D = (40; 210)

In Excel-Form:

DOTS-KoeffizientMänner (Bw) =500/(-0,0000010930*Bw^4+0,0007391293*Bw^3-0,1918759221*Bw^2+24,0900756*Bw-307,75076)

Formel für Frauen:

Definitionsbereich D = (40;150)

In Excel-Form:

DOTS-KoeffizientFrauen (Bw) =500/(-0,0000010706*Bw^4+0,0005158568*Bw^3-0,1126655495*Bw^2+13,6175032*Bw-57,96288)

Koeffizienten außerhalb des Definitionsbereiches entsprechen dem Koeffizienten der Grenze zum Definitionsbereich

Dabei wurde stets der Vergleich mit den bewährten Wilks Punkten gesucht (auch was die Höhe der mittleren Punktzahl aller verwendeten Daten betrifft) um den Einstieg und die Bewertung der Formel für Erfahrene Athleten, Trainer und offizielle erleichtern. In der folgenden Grafik sieht man die Abweichung der Bewertung bei 400 Wilks. Die größten Unterschiede betragen also lediglich etwa 4%.

Im Folgenden wurden die DOTS Punkte bei mehreren Nationalen und internationalen Wettkämpfen evaluiert. Dabei konnten sie deutlich fairerer Relativsieger Verteilungen aufweisen, als IPF Punkte oder Wilks. Weiterhin wurden Experten im Powerlifting und in der Mathematik zur Rate gezogen, welche allesamt ein äußerst positives Feedback zu der DOTS Formel abgegeben haben.

Inzwischen gibt es einen Online Rechner, auf Basis des IPF Rechners von der Seite openpowerlifting.org, sowie eine kostenlose App für Android, um die Punkte selbst zu errechnen. Weiterhin besteht die Möglichkeit mit Hilfe der angegebenen Form in diverse Excel Sheets einzubinden.

Tim Konertz

Bei Fragen zu der Formel, der Entwicklung der Punkte oder den Rechnern:

Tim.Konertz@hotmail.de